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Von Istanbul nach Göreme

Meine Ruhetage in Istanbul begeistern mich nicht sonderlich. Die Stadt ist mir zu gross, zu voll und zu zerschnitten. Ich laufe ja gern durch Städte und lasse mich treiben, was mir hier aber nicht wirklich gut gelingt. Vor ein paar Jahren im Winter war ich schon einmal in der  Stadt, da fand ich es deutlich entspannter. Immerhin ist die Gegend in Kadiköy, wo mein Airbnb-Zimmer ist, ganz schön und auch nicht so voll, wie die europäische Seite. Auch das Zimmer ist sehr gemütlich und es gibt eine verspielte Katze in der Wohnung.

Das Herausfahren aus Istanbul ist unerwarteterweise herrlich stressfrei. Es geht 30km auf Radwegen durch grosse Parks immer am Wasser entlang bis Pendik, von wo ich die Fähre nach Yalova nehme. Hier geht es extrem steil hinauf zum Iznik-See. Die Atmosphäre an dem See ist einmalig. Das Ufer ist gesäumt von grillenden, picknickenden und wildcampenden Gruppen. Auch ich finde noch ein schönes Plätzchen und schlage mein Zelt am Seeufer auf.

Am nächsten Tag geht es durch ein wahres Schlaraffenland. Es wachsen Birnen, Pfirsiche, Marillen, Feigen, Trauben, Kirschen, Nektarinen, Mangos, Pflaumen, Oliven … Und ich muss nicht mal selber pflücken. Ein nettes älteres Paar schenkt mir einen grossen Beutel voller Nektarinen und Birnen. Ich fahre durch ein kleines Dorf, in dem gerade ein Fest stattfindet. Es ist ein Beschneidungsfest für einen kleinen Jungen. Der Opa des Fünfjährigen spricht deutsch und lädt mich zu dem Festessen ein. Es gibt Hühnchen mit Reis und dazu einen Ayran.

Am nächsten Tag bleibe ich im lehmigen Matsch stecken. Trotz der grossen Lehmklumpen an meinem Rad und den Bremsen kann ich erstmal problemlos weiterfahren. Die Menschen hier sind unheimlich nett. Fast alle grüssen mich freundlich. Ein begeisterter Radfahrer stoppt mit seinem Auto und schenkt mir alles, was er an Trink- und Essbarem (Brot, Kekse, Pfirsichsaft) findet. Da ich nicht mehr viel dabei habe, nehme ich es sehr gern.

Später am Tag bricht eine Speiche des Hinterrads. Keine Ahnung, ob das mit dem Lehm am Rad zusammenhängt oder Zufall ist. Die kaputte Speiche muss dann in den Schaltzug gekommen sein und diesen überspannt haben. Jedenfalls zerlegt es auch den Schalthebel für die hintere Schaltung. Zum Glück ist Iskesehir, fast eine Millionenstadt mit ein paar Radläden, nur noch 20km entfernt. Ich nehme mir ein Zimmer für zwei Nächte und mache mich auf zu den Radläden. Der erste repariert das Hinterrad und im zweiten bekomme ich einen neuen Schalthebel montiert. Ich lasse, auf Empfehlung des Monteurs, auch gleich noch Kette und die hintere Kassette ersetzen. Kann nach 5000km wohl nicht schaden, auch wenn ich damit noch keine Probleme hatte. Grashüpfer ist also am gleichen Abend wieder fahrtüchtig und ich hab den ganzen nächsten Tag unverhofft frei. Ich frühstücke ausgiebig in einem Cafe und besuche drei Museen, wobei ein überflüssiges (verstaubte alte Kameras), ein gutes (Holzskulpturen) und ein sehr gutes dabei ist. Bei einem Bier in einer Kneipe komme ich mit Mete ins Gespräch, der gerade auf Schwiegerelternbesuch in der Stadt ist. Nach ein paar weiteren Bieren ziehen wir noch weiter und lauschen in Metes Lieblingsbar türkischer Live-Musik.

Gabriele aus Frankreich, der mit dem Rad von Aserbaidschan nach Frankreich unterwegs ist, gibt mir morgens im Hostel noch ein paar gute Routentipps und dann geht es in die weite Landschaft der anatolischen Hochebene. Am Abend, als ich schon auf Schlafplatzsuche bin, treffe ich Arda, ein Tourismusguide-Student, der gerade auf Heimatbesuch ist. Er zeigt mir eine gute Wiese direkt bei seinem Dorf und er meint, dass es sicherer ist, als im Wald, da es dort Wölfe gibt. Ich lade ihn noch zu einem Tee am Zelt ein, wo wir noch eine Weile quatschen.

5Uhr morgens werde ich von vor dem Zelt bellenden Hunden geweckt. Wenig später ertönt der Gesang des Muezzins, der die Hunde beruhigt und mich noch ein wenig weiter schlafen lässt. Die Landschaft wird felsig und es gibt spannende in den Fels gegrabene Behausungen, Kirchen und Gräber zu erkunden. Kaum Touristen verirren sich hierher. Später am Tag lande ich wieder auf einer Beschneidungsfeier und werde von Mesut zum Essen eingeladen.

Am nächsten Tag werde ich schon kurz nach dem Frühstück wieder zum Essen eingeladen – diesmal von holländischen Türken auf Verwandtenbesuch – was ich leider ablehnen muss, da ich noch gar keinen Hunger habe.

Tee mit Feldarbeitern, Cola von norwegischen Türken auf Verwandtenbesuch und 3 Teller Essen bei Metil sind die überwältigende Einladungsbilanz des nächsten Tages. Abends zelte ich auf dem Spielplatz eines Dorfes und tolle mit drei Hundewelpen herum.

Am Tag darauf wieder diverse mir spendierte Tees und eine Essenseinladung von Ramazan, der auf Verwandtenbesuch aus Wuppertal ist. Es gibt zweimal Köfte im Brötchen, da Ramazan und sein Schwager finden, dass ich zu dünn bin. Am Abend erreiche ich den riesigen austrocknenden Salzsee Tuz Gölü. Am Ufer grillt eine Familie und wenige Minuten nach Ankunft habe ich ein Brötchen mit Gegrilltem in der Hand. Die Fahrt auf sandigen Wegen durch die Ausläufer des Salzses am nächsten Morgen ist abenteuerlich. Es hat was von einer Mondlandschaft.

Nach fünf Tagen Widcampen gönne ich mir ein Hotelzimmer in Aksaray. Nach Abendessen in einem Dönerladen lädt mich Ali, der dort arbeitet, noch auf ein grossartiges Eis im Eisladen seines Onkels ein.

Dann geht es zum Ihlara Canyon, der durch vulkanische Aktivität entstanden ist und in dem es zahlreiche in den Stein gegrabene Kirchen und Behausungen gibt. Dort treffe ich Sophie und Jannick aus München, die auch mit dem Rad in meiner Richtung unterwegs sind. Die beiden haben kurz zuvor von drei französischen Radlern einen Tipp für einen schönen Schlafplatz am Fluss im Canyon bekommen, zu dem wir gemeinsam radeln und gemütlich Reste kochen.

Am nächsten Tag schauen wir uns gemeinsam ein paar Felsenkirchen im Canyon an und radeln zum Nar See, was ein Kratersee eines erloschenen Vulkans ist. Wir finden nach anfänglicher Enttäuschung über die Vermüllung unverhofft noch eine gute Wiese ohne Müll. Mit Einbruch der Dunkelheit sind alle Ausflügler weg und wir teilen den Vulkankrater nur mit einem jungen Hund, der uns unter einem grandiosen Sternenhimmel bewacht.

Die letzten Kilometer ins Herz Kappadokiens fühlen sich etwas bedrückend an. Es geht durch ärmliche Orte, wo die Leute weit weniger freundlich sind, an einem staubigen Flüchtlingslager vorbei und durch grosse über- und unterirdische Mülldeponien. Ein Highlight gibt es dennoch, die unterirdische Stadt von Mazi, eine von Hunderten unterirdischen Städten in der Gegend. Die Städte befanden sich auf mehreren Stockwerken im Fels unter den eigentlichen Städten und dienten als Fluchtorte bei Angriffen auf die Städte. Wir finden wieder einen tollen wilden Zeltplatz über einem Tal mit Blick in die kappadokische Landschaft.

Morgens sehen wir die Heissluftballons aufsteigen und machen uns an die letzten Kilometer nach Göreme, das Zentrum Kappadokiens. Wir folgen einem abenteuerlichen Weg, der landschaftlich spektakulär aber wegen Steilheit und weichem Sand nur begrenzt befahrbar ist. Und so ist der kurze Tag nochmal ganz schön kräftezehrend. Nach einem gemeinsamen Gözleme-Essen trennen sich vorerst unsere Wege und wir radeln in Richtung unserer Unterkünfte.

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